Dollar-Shops: Der gefährliche Siegeszug der Billigläden - WELT (2024)

Wirtschaft Dollar-Shops

| Lesedauer: 4 Minuten

Von Stefan Beutelsbacher

EU-Korrespondent in Brüssel , New York

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Dollar-Shops in den USA florieren. Sie profitieren davon, dass ihre Kunden knapp bei Kasse sind. Ihre Mitarbeiter verdienen so wenig, dass manche in Zelten leben müssen. Doch nun regt sich Widerstand.

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Beim Dollar Tree auf der First Avenue gibt es jetzt Weihnachtsartikel: Kerzen, Kränze und Tassen mit Schneeflockenmuster. Auf einem Grabbeltisch des Ladens Dollar Zone, der weiter im Norden Manhattans liegt, stapeln sich Spielzeugautos und Kuscheltiere. Der Dollar General in Queens hat Fettuccine Alfredo mit Hühnchen und Brokkoli im Angebot, 230 Gramm, zum Aufwärmen in der Mikrowelle. Und all diese Produkte halten, was die Geschäfte versprechen: Sie kosten exakt einen Dollar.

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Manche der sogenannten Dollar-Shops verkaufen Haushaltswaren, andere Lebensmittel, manche beides. Und sie sind allgegenwärtig. 75 Prozent der US-Bevölkerung leben in einem Umkreis von fünf Meilen zur nächsten Filiale des Marktführers Dollar General. Zum Vergleich: Nur ganze 60 Prozent der US-Amerikaner wohnen so nah an einem Krankenhaus.

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Dollar General hat landesweit rund 17.500 Läden, die wichtigsten Konkurrenten Dollar Tree und Family Dollar betreiben je 7000. Die drei Marken besitzen damit ein größeres Netz als McDonald’s und Starbucks. Und sie expandieren. Dieses Jahr kamen in den USA schon rund 1500 Dollar-Märkte hinzu. Sie machen 40 Prozent aller Neueröffnungen im US-Einzelhandel aus, wie Daten der New Yorker Analysefirma Coresight Research zeigen.

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„Dollar-Läden“, meint Brian Vines von der Verbraucherorganisation Consumer Reports aus der Stadt Yonkers, „verändern die Art, wie wir in Amerika einkaufen.“ An jeder Ecke des gesamten Landes, sagt er, gebe es inzwischen eines dieser Geschäfte. Sie seien deutlich günstiger als herkömmliche Supermärkte wie Walmart und lockten so Millionen Kunden an. Neun von zehn Amerikanern shoppen laut einer Untersuchung von Consumer Reports zumindest gelegentlich in einem Dollar-Geschäft.

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Dollar General, Dollar Tree, Dollar Zone und all die anderen stützen sich auf Massenware aus Asien und auf billige Arbeitskräfte. Nirgendwo im amerikanischen Einzelhandel verdienen Beschäftigte so wenig. Manche leben in Zelten, weil sie sich von ihren Löhnen keine Wohnung leisten können. Dollar-Shops kamen während der Großen Depression auf und boomten in jeder ökonomischen Krise aufs Neue, zuletzt nach dem Finanzkollaps von 2008.

Das Geschäftsmodell ist so angelegt, dass die Läden besonders gut laufen, wenn die Käufer knapp bei Kasse sind. Das erklärt auch, weshalb die Branche gerade jetzt floriert. Viele Menschen in den USA verloren während der Pandemie ihre Jobs und rutschten in die Armut. 2020 galten 37,2 Millionen Amerikaner als bedürftig, 3,3 Millionen mehr als 2019 – der erste Anstieg seit fünf Jahren.

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Selbst in New York, dem globalen Zentrum des Geldes, sieht man das Elend. Fast jeder zweite Bürger der Metropole steht den Behörden zufolge am Rand der Bedürftigkeit, fast jeder fünfte lebt sogar unter der Armutsgrenze. Die liegt nach amtlicher Definition für eine vierköpfige Familie bei 26.500 Dollar Jahreseinkommen.

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Aber der Boom der Billigläden birgt Gefahren. Ganze Stadtviertel werden mit Produkten von zweifelhafter Qualität überschwemmt. Vor allem die Lebensmittel bereiten Experten Sorgen. Wie gesund kann Fettuccine Alfredo für einen Dollar sein? In den Regalen der Geschäfte stapeln sich Fertiggerichte und Süßigkeiten. Nur rund 1300 der rund 17.500 Filialen von Dollar General führen Obst und Gemüse. Dollar Tree und Family Dollar verkaufen in etwa 100 Läden frische Ware.

„Das ist besorgniserregend“, sagt Verbraucherexperte Brian Vines, „denn für viele Amerikaner stellen diese Geschäfte die einzige Einkaufsmöglichkeit dar.“ Daten von Consumer Reports zufolge sind fast 20 Prozent jener US-Bürger, die weniger als 30.000 Dollar im Jahr verdienen und in ländlichen Gegenden leben, auf die Dollar-Märkte angewiesen.

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Es herrscht ein gnadenloser Wettbewerb. Landauf, landab verdrängen die Dollar-Imperien kleine Läden, die Obst und Gemüse anbieten. Sie tragen dazu bei, dass sich die berüchtigten „Food Deserts“ (Lebensmittelwüsten) ausbreiten. Der Begriff bezeichnet Gebiete, in denen frische Produkte nur schwer erhältlich sind. In Amerika, der reichsten Nation der Welt, leben fast 40 Millionen Bürger – 13 Prozent der Bevölkerung – in solchen Gegenden, wie Daten des Landwirtschaftsministeriums zeigen.

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In einigen Städten gibt es nun Widerstand. New Orleans verbietet seit Kurzem überall dort neue Dollar-Märkte, wo es im Umkreis von einer Meile schon welche gibt. Die Läden hatten sich rasant ausgebreitet und regelrechte Cluster gebildet.

In manchen Vierteln konnten sich die Bürger nur noch von Fett und Zucker ernähren, denn Geschäfte mit gesünderen Produkten waren fortgezogen. Auch andere Metropolen hatten solche Probleme und ergriffen ähnliche Maßnahmen wie New Orleans, zum Beispiel Atlanta, Cleveland und Oklahoma City.

Aber nicht nur das könnte den Siegeszug der Billigketten bremsen. Viele Märkte haben auch Schwierigkeiten, Beschäftigte zu finden. Die US-Wirtschaft wächst, fast jeder Bürger, der will, findet einen Job. Es gibt also keinen Grund, bei Dollar General oder Dollar Tree an der Kasse zu sitzen.

Ein Geschäft im Bundesstaat Nebraska verlor vor wenigen Wochen sämtliche Angestellten auf einmal. „Wir haben alle gekündigt“, hieß es auf einem Zettel an der Ladentür, „bitte entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten.“

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Author: Lakeisha Bayer VM

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